Buchrezension: Mirko Tomasini

Vorangestellt: Mir gehen Begriffe wie "Leitwolf" und "Rudelführer" ein bisschen auf den Keks, weil sie so oft falsch verstanden werden - nach dem Motto: der Stärkere führt. Das ist bei Das Leitwolf-Training: Sprachfrei kommunizieren mit Hunden, auch wenn der Titel so klingt, nicht der Fall. Was Mirko Tomasini unter Führung versteht, hat nichts mit stärker sein, Unterdrückung und Schikane zu tun und alles mit Ruhe, Souveränität und natürlicher Autorität.
Das als Pluspunkt - aber mit Einschränkung. Denn Nachmachen kann man seinen Führungsstil nur bedingt. Wer mit seinem Hund spielen, arbeiten und kommunizieren will wie Mirko Tomasini, der muss auch so sein wie Mirko Tomasini. Also viel Ausstrahlung haben, eine klare Körpersprache, ein sicheres Auftreten. Wer das nicht hat und versucht, so zu tun als ob - der wird leider auf die Nase fallen.

Meine Pluspunkte:
Tolle Körpersprache. Der Hund wird nicht durch Gezerre an der Leine eingeschränkt, sondern körperlich - etwas, was er instinktiv versteht. 
Sehr gut gefällt mir das, was MT zur inneren Einstellung eines guten Hundeführers schreibt. Allein dafür lohnt es sich, das Buch zu lesen.
Sein Hauptmotivator ist Spiel - das ist auch super, aber so,  wie MT spielt, kann das schon rein körperlich einfach nicht jeder. Es gehört z.B. explizit dazu, sich vom Hund anspringen zu lassen. Das muss man "stehen" können... er bezeichnet es auch als Fehler, das Spiel abzubrechen, wenn der Hund zu wild wird. Aber wann dann aufhören? Wie verhindern, dass der der Hund zu aufgeregt wird? Solche Fragen bleiben offen - und das führt mich zu meinen Minuspunkten:

Gar nicht teile ich nicht die Ansicht, dass ein Hund, der nicht gerne spielt, auf jeden Fall eine schlechte Bindung/Beziehung zum Besitzer hat. Genauso wenig finde ich die Behauptung haltbar, ein Hund, der eine gute Beziehung hat, würde sich nie weit vom Halter entfernen. Natürlich hilft eine gute Beziehung, den Hund bei mir zu halten -  aber Jagdtrieb ist Jagdtrieb, ich glaube nicht, dass man den so einfach wegdiskutieren kann.

Am wenigsten mag ich in diesem Buch, dass man den Hund auf Distanz halten soll, wenn er sich vorher zu weit entfernt hat - als Strafe. Ich kenne genau diesen Ansatz aus der Pferdearbeit - und da produziert es Losreisser und misstrauische Pferde. Mag sein, dass jemand mit soviel Ausstrahlung auf Hunde wie Tomasini so arbeiten kann, weil er einfach derart viel "Draw" hat (also Anziehungskraft) - für Normalos hab ich da extreme Zweifel. Werde ich nicht ausprobieren (mit meinem Sensibelchen sowieso nicht).


Und noch ein großer Minuspunkt: Ganz entsprechend der derzeitigen Mode werden wieder mal Konditionierung und Kommunikation als Gegensätze dargestellt. Jedes Lebewesen lernt durch Konditionierung, die Frage ist nur, wie bewusst ein Trainer diese Mechanismen für sich zu nutzen weiß. Und ebenso ist es undenkbar, mit dem Lebewesen Hund zu interagieren, ohne zu Kommunizieren. Da wird wieder das Klischee bedient: Die supersoften Clickertanten vs. die nonverbalen Kommuniziermeister - laaaangweilig.

Fazit: Kein Gesamt-Ansatz, der alltaugstauglich wäre (dazu ist das Buch auch zu unvollständig, zu wenige Themen werden abgedeckt). Aber es stecken einige tolle Anregungen und nachdenkenswerte Bemerkungen drin - und sehr gute Bilder zum Thema Körpersprache. Also auf jeden Fall lesenswert!

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